Entwerfen WS 08/09

JACK-IN-THE-BOX

AUFGABE

Unweit des Hauptplatzes von Korneuburg stößt der aufmerksame Besucher auf die baulichen Überreste einer mittelalterlichen Synagoge. Kaum noch als solche erkennbar, wurde die mit einem lediglich provisorischen Dach gedeckte Ruine inmitten eines kleinstädtischen Wohn- und Gastronomiegefüges kurzerhand zur Garage umfunktioniert. De facto blieben von der originalen Bausubstanz bis heute nur noch die steinernen Außenmauern erhalten. Und selbst diese sind beinahe zur Gänze eingewachsen. Im Zusammenhang mit den vorgefundenen baulichen Überresten stellt sich die Frage, in welcher Form eine solche Struktur einer neuen Nutzung zugeführt werden könnte. Daran anschließend gilt es zu beantworten, in welcher Form eine neue Funktion darin Platz greifen könnte und der bauliche „Jack“ sichtbar werden kann oder soll. In jedem Falle kann ausgeschlossen werden, die Synagoge als solches wieder in Betrieb zu nehmen oder gar zu restaurieren. Vielmehr gilt es den historischen Prozess, welchen die Baulichkeit bis heute durchlaufen hat, weiterzuführen. Im Zuge der Entwurfsübung gilt es demnach ein sinnstiftendes Raumprogramm zu erarbeiten, welches den vorhandenen Baubestand einerseits mit Respekt berücksichtigt und andererseits in der Lage ist die Ruine mit neuem Leben zu befüllen. Es sind in diesem Zusammenhang Ein- als auch An- und Überbauungen denkbar, zumal die Baulichkeit weitestgehend freisteht und an zwei Seiten grundsätzlich (wenn auch bescheidene) Raumreserven aufweist. Auch betreffend der Bauhöhe gibt es zunächst keine Limitierung, gilt es doch, im Rahmen dieses Entwerfens nicht zuletzt ein interessantes Zusammenspiel alter und neuer Kubaturen los zu treten.

RESUMEE

Betrachtet man die vielfältigen und breit gestreuten Entwurfsansätze und Gedanken rund um die ehemalige Synagoge resp. deren bis zum heutigen Tage verbliebenen Überreste, so kommt man nicht umhin, zunächst einmal vor Erstaunen innezuhalten. Angesichts der voller Leben und teilweisem Übermut strotzenden baulichen Implantate und Überbauungen gerät der Gedanke an vergangene Zeiten rasch ins Vergessen und es verbleibt die Frage im Raum, welches Potential die an sich kleinformatige Fläche am Rande des Korneuburger Stadtkernes tatsächlich heute noch in sich birgt.Freilich wurde im Zuge der studentischen Entwurfsbearbeitungen der einen oder anderen baulichen Verordnung und mancher statischen Richtlinie nicht zu einhundert Prozent entsprochen. Dennoch wurde, soweit dies auch wirklich sinnhaft und wesentlich erschien, immer wieder auf das nähere und weitere bauliche Umfeld eingegangen und auf mögliche Beeinträchtigungen entsprechend Rücksicht genommen.Zwar forcierte und provozierte die gestellte Aufgabe von Beginn an ein bewusstes Ausbrechen aus den zunächst nahe liegender Weise engen Grenzen, doch die nun vorliegenden Resultate belegen letztlich auch bild- und modellhaft, dass ein solches Vorgehen zu sinnstiftenden tatsächlichen Denkansätzen führen kann.In eben diesem Sinne zeigen die Entwürfe mehr als deutlich auf, wie sich innerhalb der historischen Mauerreste neues Leben einzunisten vermag. Nahezu allen Entwürfen liegt dabei der Gedanke zu Grunde, die ehemalige Versammlungsstätte erneut als eine solche zu bespielen – wenn auch nicht unbedingt im religiösen Sinne. So wächst nun schon mal eine Kindertagesstätte, ein Programmkino, oder auch ein Musikeratelier, ein Jugendtreff, ein Theater und vieles mehr aus den engen Mauergrenzen des kleinen Eckgrundstückes. Da wird um jeden Quadratzentimeter gerungen und jeder Höhenmeter zum kostbaren Gut. Die umgrenzenden Mauerfragmente selbst erweisen sich in vielen Fällen als herausfordernde Barriere, die es für jeden Einzelnen auf andere Weise zu meistern gilt. Für den einen ist es die Statik der in Wahrheit heute wohl kaum noch in irgend einer Weise belastbaren Mauerfragmente, für den anderen ist es das Überwinden des alles Licht ausgrenzenden Mauergefüges. Schließlich sind unsere Ansprüche an heutige Räume nicht eben gering. Wir verlangen nach Licht und Luft, fordern eine für alle nutzbare Wegeführung ein und setzen zu guter Letzt voraus, dass sich das Alte vom Neuen in spannungsvoller Weise absetzt.Ob es sich dabei letztlich dann um ein spannungsvolles Neben- bzw. Übereinander oder Ineinander von Alt und Neu handelt, entscheidet die Art und Weise der Bewältigung des Konfliktes zwischen dem Bestand und der neuen Nutzungsanforderung. Diesen „kreativen Konflikt“ zu bewältigen, bedeutet ein Projekt auf die Beine zu stellen, das an dieser Herausforderung gewachsen ist.