Entwerfen SS 99

GO WITTGENSTEIN – Philosophie im dreidimensionalen Raum

Denkhintergrund

Architektur und die sie untermauernde „Philosophie“ erscheinen seit jeher als nahezu untrennbare Spieler im Kampf um die Erscheinungsform baulicher Strukturen. Derart legitimiert eine solche „Philosophie“ so manche bizarre Schöpfung. Zuweilen erringt die vermeintlich im Hintergrund befindliche Philosophie die Übermacht und drängt pragmatische Betrachtungsansätze weitestgehend ins Hintertreffen. Rudolf Steiner schuf gleichsam als Manifestation seiner Weltanschauung das Goetheanum in Dornach. Ludwig Wittgenstein hinterließ uns das später so getaufte Haus Wittgenstein. Philosophen werden also gelegentlich als Architekten tätig. Der tatsächliche Gebrauchswert bzw. die effektive Bedeutung derartiger Bauwerke wird wohl weiterhin Theoretikergenerationen beschäftigen. Einfacher tut man sich da schon mit der „philosophierenden“ Architektenschaft. Peter Eisenman und Daniel Libeskind erscheinen in diesem Kontext lediglich als die Spitze einer solchen Protagonistenansammlung.

Vorgangsweise und Zielrichtung

Als Ausgangspunkt und Einstieg in die Arbeit dient ein gemeinsam zu erstellendes, detailgenaues 3D-Datenmodell des Hauses Wittgenstein. Es fungiert in weiterer Folge als Grundsubstanz mittels derer zu operieren ist. Das virtuelle Haus wird auf diese Weise aus dem gewohnten Kontext gleichsam in den anonymen „unbestimmten“ Raum des Rechners transportiert. Es unterliegt nicht mehr länger den Auflagen naturphysikalischer Gegebenheiten, wird also ganz zur dreidimensionalen Ausformulierung philosophisch getragener Gedankenansätze. Auf diesem Wege wird die Architektur ganz „Theorie“, Wände bedürfen keinerlei Stärke mehr um darüberliegendes zu tragen; die Gliederungsfunktion der Stützelemente tritt vor deren Tragverhalten. Es soll nun versucht werden, die über die Jahre hinweg verzerrte und beinahe unkenntlich gemachte Erscheinungsform neu zu interpretieren. Das Mittel der Manipulation, der Verzerrung und des Mappings sind hiebei lediglich als erste Schritte in Richtung einer Neubewertung zu sehen. Die Verzerrung der nur allzubekannnten Teilverhältnisse könnte in diesem Zusammenhang gänzlich neue Zusammenhänge bzw. Erkenntnisse ergeben. Die Frage nach der Beziehung zwischen mathematischen Systemen und den Anforderungen eines menschlichen Wesens an den physischen Raum sind sicherlich ebenso ins Auge zu fassen, wie das allgemeine Umfeld innerhalb dessen sich Architektur für gewöhnlich niederläßt. Fragen zur generellen Thematik von Stabilität und Instabilität werden insbesondere in Bezug auf die „bloße“ Erscheinungsform im virtuellen Raum an Brisanz und Gewichtung gewinnen. Dennoch ist besonderes Augenmerk daraufzulegen, daß derartige Veränderungen der architektonischen Grundsubstanz bzw. der Bauelementik nicht bloß um ihrere selbst Willen getätigt werden. Architektonische Manipulation wird erst durch einen entsprechend „philosophischen“ Gedankengang zur „tragbaren“ Handlung. Der Kontext letztlich entwickelt sich demzufolge aus dem Haus heraus. Das architektonische Objekt wird zum Mittelpunkt seiner Welt, zur Kernaussage seiner Weltanschaung.

Leistung

Es muß davon ausgegangen werden, daß bereits in umfangreicher Weise Forschungen über dieses Thema angestellt wurden. Eine erhebliche Zahl an Dokumentationen, welche für diese Arbeit ein tragfähiges fundament gewährleisten, wurden längst in allgemein zugänglicher Form publiziert. Es sei jedoch daraufhingewiesen, daß die reine Konsumation derlei Informationen alleinig nur bedingt zielführend ist; daher ist behutsam mit ihnen unzugehen. Die Erstellung eines gemeinsamen 3D-Datenmodells samt Durchführung individueller Arbeitsvorgänge soll letztlich in eine Entwurfsleistung münden. Die Vermittlung kann durch einzelner Bilder oder Walkthroughs bzw. Animationen etc. erfolgen. Diese dienen jedoch dazu, die erarbeitete Entwurfsleistung zu erläutern und allgemein verständlich zu machen.

Literatur

Högel, Klaus-Peter (1993), Ludwig Wittgenstein, Architekt. Tradition und Zukunft [Bd. 5], Wien: Publikationsreihe des Instituts für Baukunst und Bauaufnahme der Technischen Universität Wien.

Janik, Allan/ Stephen Toulmin (1972), Wittgensteins Wien; Deutsche Übersetzung von Reinhard Merkel, Wien: Döcker 1998,

Janik, Allan/ Hans Veigl (1998), Wittgensteins Wien. Ein biographischer Streifzug durch die Stadt und ihre Geschichte, Wien und New York: Springer.

Wijdeveld, Paul (1993), Ludwig Wittgenstein, Architekt; Deutsche Übersetzung von U. Kremsmair und T. Heigelmaier, o.O.: Wiese Verlag.